„Selbst das zahmste Tier wird wild, wenn man seine Bedürfnisse vernachlässigt.“
aus „Das neue Buch Genesis“ von Bernard Beckett
Mediation ist ein strukturiertes, freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes, bei dem unabhängige „allparteiliche“ Dritte, die Mediatoren, die Konfliktparteien in ihrem Lösungsprozess begleiten. Die Konfliktparteien, auch Medianten oder Medianden genannt, versuchen dabei, zu einer gemeinsamen Vereinbarung zu gelangen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entsprechen. Der Mediator trägt die Verantwortung für einen geregelten Prozess. Die Themenfindung- und Einbringung obliegt der Verantwortung der Medianden. Da einer Mediation oft unbewusste Konfliktmotive, z.B. unerfüllten Bedürfnissen, der jeweiligen Konfliktparteien zugrunde liegen, ist eine analysierende Betrachtungsweise der Gesamtsituation, sehr hilfreich.
Als psychoanalytisch ausgebildete Supervisorin folge ich den Annahmen eines psychoanalytischen Verständnisses, dass von der Existenz des Unbewussten und einer Vielzahl von unbewussten Ebenen ausgeht. Dieser Theorie nach werden psychische Vorgänge, die den Zweck haben die Psyche von den miteinander in Konflikt stehende psychische Tendenzen (Triebe, Bedürfnisse, Wünsche, Werte) zu entlasten, Abwehrmechanismen genannt. Abwehrmechanismen sind dabei nicht immer willentlich kontrollierbar und werden z.T. unbewusst eingesetzt. Abwehrmechanismen sind daher zum einen als Schutzmechanismen zu sehen mit der Aufgabe, den emotionalen Druck zu reduzieren. Zum anderen verhindert der Einsatz dieser Mechanismen jedoch auch die Gesamtproblematik im Auge zu behalten, das Gegenüber adäquat wahrzunehmen, dynamische Prozesse zu verstehen und sich selbst aus der Metaposition wahrzunehmen und sein Verhalten zu reflektieren. Als Dozentin für Psychopathologie ist es mir wichtig meinen Teilnehmern zu vermitteln, dass sogenannte psychopathologische Phänomene wie beispielsweise Störungen des Bewusstsein (z.B. bei Übermüdung), Orientierung- & Gedächtnisstörung (z.B. bei Stress), Aufmerksamkeit und Gedächtnisstörungen (z.B. im Rahmen von Trauer), Befürchtungen und Zwänge (z.B. vor Prüfungen), Störungen der Affekte (z.B. im Stadium der Verliebtheit) u.v.m., uns allen begegnen, jedoch nicht in der Ausprägung und Quantität wie wir sie in der psychischen Erkrankung erleben, oder in Krisensituation, die uns stark beeinträchtigen und belasten. Partielle psychopathologische Phänomene gehören demnach zu unsrem Leben dazu.
Mein Interesse in Mediationen, gilt besonders der Frage: welcher Zusammenhang zwischen unbefriedigten Bedürfnisse im Konfliktfall besteht und der Phänomenologie, dass psychisch gesunde Medianden aufgrund von unbewussten Abwehrprozessen, partielle psychopathologische Phänomene im Denken, Fühlen und Verhalten zeigen? In meiner Beratungsarbeit begegnen mir diese Erscheinungen häufig, gerade in Konfliktsituationen. Zuvor zugängliche und empathische Kollegen „verwandeln“ sich in kurzer Zeit in Menschen, die sich in Teufelskreise verstricken, Selbstregulations- oder Steuerungsmechanismen verlieren, inferiore Verhaltensmuster zeigen und diverse Abwehrmechanismen einsetzen – ein Phänomen, das mir aus der Arbeit mit psychisch kranken Menschen vertraut ist. Diese „andere“ Perspektive trägt zu einem erfolgreichen Verlauf des Mediationsprozesses bei.